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Rohrbomben-Attrape bei der Street Parade

Der mutmaßliche Täter ist vorbestraft, aber es gibt keine Beweise für eine extremistische Haltung.

Ein Deutscher hat auf der Zürcher Street Parade einen täuschend echt aussehenden Bombenpuppe in einen Rucksack gelegt. Die Staatsanwaltschaft untersucht den Fall mit der Begründung, dass er die Bevölkerung erschreckt. Was treibt die Menschen zu einer solchen Tat an?

Plötzlich befand sich die Polizei in einem Alarmzustand. Kurz nach 20 Uhr am Samstagabend hatte ein Anrufer berichtet, dass auf dem Zürcher Utoquai seit einiger Zeit ein oranger Rucksack liegt. Ein Horrorszenario für die Einsatzkräfte, denn nur wenige Meter entfernt tanzten Tausende und Abertausende von Rovers die Street Parade.

Die Polizei schloss den Bereich schnell ab. Mit Hilfe eines Entschärfungsroboters untersuchten Spezialisten den Inhalt des Rucksacks. Laut Daniel Kloiber, dem verantwortlichen Staatsanwalt, fanden sie Kabel, Mobiltelefone, Metallteile und Flaschen, die wahrscheinlich mit Beschleunigern gefüllt waren. Deshalb wurde der Rucksack in einem speziellen Container an einen sicheren Ort transportiert, wo er genauer untersucht wurde.

Sprengstoffe fehlten

Erst am Montagmorgen konnten die Behörden die Entwarnung geben. Die Ergebnisse der Untersuchung durch das Forensische Institut zeigten, dass es sich um Dummies von Rohrbomben handelte. Im Rucksack fehlten Sprengstoffe und Zündgeräte.

Auch die Ermittler konnten den Täter finden: Der Rucksack gehört einem 31-jährigen Deutschen. Die Polizei verhaftete ihn am Sonntagabend an seinem Wohnort im Kanton Aargau. Nach Angaben der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft wird gegen den Mann wegen Schreckens für die Bevölkerung ermittelt.

Der Verdächtige ist in Haft. Ob er in Untersuchungshaft genommen wird, bleibt abzuwarten. Der Deutsche ist noch nicht von der Staatsanwaltschaft verhört worden. Der verhaftete Mann ist jedoch der Polizei bekannt. Die Vorstrafen stehen nicht im Zusammenhang mit Drohungen oder Gewaltverbrechen, sagt Kloiber.

Die Rohrbombenattrappe könnte die Täter teuer zu stehen kommen: Er könnte mit bis zu drei Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe rechnen. Darüber hinaus könnte ihm im Falle einer Verurteilung auch ein Teil der Kosten der Polizeieinsätze angelastet werden.

Ein 35-jähriger Schweizer Bürger, der in diesem Zusammenhang am Samstagabend verhaftet wurde, wurde freigelassen. Er steht nicht mehr unter Verdacht.

Ganz unterschiedliche Motive

Artikel 258 des Strafgesetzbuches - Angst vor der Bevölkerung - gilt für Bedrohungen oder Simulationen von Gefahren für Leib, Leben oder Eigentum. In den letzten Jahren ist die Zahl der Verurteilungen wegen dieser Straftat stabil geblieben: 21 im Jahr 2018, 18 im Vorjahr und 20 im Jahr 2016 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes.

Aber was treibt die Menschen zu einer solchen Tat an? Im Falle des 31-jährigen Deutschen ist das Motiv noch unklar. Bisher hat die Kantonspolizei nur darauf hingewiesen, dass es keinen ideologischen Hintergrund für das Verbrechen gibt. Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass der mutmaßliche Täter Verbindungen zu extremistischen politischen oder religiösen Gruppen hatte.

Andere Fälle, in denen die Bevölkerung entsetzt war, zeigen, wie unterschiedlich die Motive sein können.

Im November 2016 rief beispielsweise ein 24-jähriger Tscheche das Casino in Baden an und drohte mit der Detonation einer Bombe. Das Gebäude wurde dann geräumt und abgeriegelt. Als die Polizei die Tschechen weniger als ein Jahr später verhaftete, erklärte er in seinem Geständnis, dass er wegen Konflikten in seiner Partnerschaft mit einem Angriff gedroht habe.

In einem anderen Fall, im April 2015, ließen ein Teenager und seine Freundin im Theater Basel einen Koffer mit Kabeln liegen. Das Paar folgte der anschließenden mehrstündigen Polizeiaktion vor Ort. Um das Spektakel zu genießen? Auf jeden Fall hat der Teenager mehrere Artikel über die Bombendrohung auf seinem Twitter-Konto veröffentlicht und über die Täter spekuliert.

Aber einige Täter drohen auch, weil sie psychisch krank sind. Wie die Ostschweizer, die im Sommer 2017 das Café Fédéral in der Nähe des Berner Bundesplatzes betraten, eine Waffe zogen, damit herumzappelten und schrien. Dann warf er einen Rucksack zu Boden, sagte, da war eine Bombe drin und rannte hinaus.

Der 40-jährige Ostschweizer behauptete vor Gericht, er sei nicht gefährlich, so die "Berner Zeitung". "Es gab nur eine kleine Unruhe. Es war eine einmalige Aktion, um seine Anschuldigung gegen den Staat Gehör zu verschaffen. Aber der Mann litt nach dem Gutachten an einer Persönlichkeitsstörung. Er äußerte auch Zweifel an seinem Zustand, indem er sagte, dass er an einem Manifest arbeitete, um zu beweisen, dass die Regierung ein System zur Manipulation von Referenden entwickelt habe.

Das Gericht entschied schließlich, dass er sich nur des versuchten Schreckens der Bevölkerung schuldig gemacht hatte. Denn nur wenige der anwesenden Gäste hatten überhaupt von seiner Drohung gehört.